cross-posted from: https://feddit.org/post/11066347
Seit mehr als einem Jahrzehnt arbeitet Paris daran, das Auto von der Innenstadt weitestgehend fernzuhalten. Ein radikaler Kurs mit bemerkenswerten Folgen für die Luftqualität, wie neue Karten jetzt zeigen.
Airparif
“Das autofreie Paris – auch in Deutschland denkbar?”
Nein. LG Ihr Volkswagen-Vorstand
Ich will nicht, dass Paris wieder deutsch wird.
Ich dachte dass wir nach dem zweiten Weltkrieg endlich eingesehen haben, dass Paris nicht zu Deutschland gehört, und auch nie gehören wird.
Nee, wir haben ja auch keinen Eiffelturm.
Das lässt sich lösen. Wie sagt man so schön, third time’s the charm. Ob das dann unserer Luft hilft, bezweifle ich.
Ich bin überzeugt, dass autofreien Innenstädte auch mit unserer Autolobby in Deutschland möglich ist. Die größeren Widerstände sind aus der Bevölkerung selbst zu erwarten. Wie wäre damit einfach klein anzufangen, die inneren Altstädte oder innerhalb der inneren Ringe komplett für motorisierten Verkehr zu sperren. Ausnahmen wären ÖPV (inkl. Taxi), Lieferverkehr in eingeschränkt auf 2Std am Tag eingeschränkt, emissionsfreien Lieferverkehr (Abtrieb des Fahrzeug) oder besitzt eine einzeln zu beantragende Ausnahmegenehmigung. Rettungwege müssen bestehen bleiben. Voraussetzung wäre ein existierender ÖPNV mit einem Takt von 20min. Wenn man sich größere Städte genau ansieht, ist die Veränderung durch diese Maßnahme oft geringer als auf den ersten Blick angenommen. Es bestehen bereits viele Beschränkungen.
Um es einfacher durchzusetzen, wird es als Pilottest für 5 Jahre angelegt und setzt eine Vorlaufzeit von mind. 12 Monaten an. Damit können Betroffene ihre Lebenssituation anpassen. Nach den 5 Jahren gibt es eine Entscheidung ob das System bestehen bleibt oder auch für privaten emissionsfreien Individualverkehr geöffnet wird.
Nach einiger Zeit und noch längerer Vorlaufzeit sollten, in Innenstädten, auch außerhalb des gesperrten Bereichs öffentliche Parkplätze ohne Zeittarif abgeschafft werden. Dauerstellplätze sind privat zu finanzieren. Auch hier wäre ein zu Fuß erreichbarer ÖPV mit Takt von mind. 20Min-Takt Voraussetzung.
Widerstände gegen diese Maßnahmen würde ich von betroffenen Bürgern und von den Städten selbst (Furcht vor Einzelhandelsterben) erwarten.
Das Problem sind Klagen. Temporäre Änderungen werden fast genauso viele Klagen bekommen wie dauerhafte, da den Betroffenden klar ist, dass diese dauerhaft werden können. Allerdings gibt es dann zwei Verfahren. Einmal das temporäre und dann den Umbau um es dauerhaft zu machen. Dabei kann als gleich zweimal geklagt werden. Es ist also einfacher keine Experimente zu machen, sondern direkt den dauerhaften Umbau zu starten. Außerdem gibt es in Deutschland die Möglichkeit Volksentscheide durchzuführen. Radentscheide gibt es fast in jeder Großstadt in Deutschland und die sind meist erfolgreich.
Allerdings muss man auch klar sagen, dass die meisten Innenstädte in Deutschland recht große autofreie Zonen haben. Viele Städte dehnen die auch momentan aus.
Einfach erstmal das Parken auf Strassen und Buergersteigen verbieten. Flupp waer der Verkehr wieder fluessiger, Rettungsdienst und Muellabfuhr kaemen wieder durch.
Vorweg: das Parken im öffentlichen Raum radikal zu überdenken halte ich auch für wichtig.
Aber als Argument “flüssigen Verkehr” zu bringen halte ich für etwas kontraproduktiv. Zum Einen ist schon die Definition von “flüssiger Verkehr” an sich mehr als schwammig. Zum anderen sind die typischen Staustellen eher Kreuzungsbereiche, erzwungene Fahrbahnwechsel und Stellen, an denen sehr unterschiedliche Fahrgeschwindigkeiten bei hohem Verkehrsaufkommen gleichzeitig auftreten können (wir alle kennen diese Hauptstraßen, wo durch unangepasste Geschwindigkeit, sinnlose Spurwechsel und fehlendes vorausschauendes Fahren alle nachfolgenden Fahrzeuge ausgebremst werden und sich Phantomstaus bilden. Besonders deutlich wird das aber auf Autobahnen).
So einfach ist es also leider nicht.
flüssiger Verkehr
😏
Ich frage mich ja wie die (Stadtregierung) sich gegen die Autolobby durchsetzen konnten. Die wird ja in Frankreich auch nicht ohne sein …
Paris hat den enormen Vorteil administrativ tatsächlich nur Stadt zu sein, keine ländlichen oder vorstädtlichen Randgebiete mit Einfamilienhäusern. Das heißt die üblichen NIMBYs die mit dem Auto in die Innenstadt wollen wohnen nicht in Paris und haben entsprechend kein Mitspracherecht. Die Autolobby funktioniert auf solchen Ebenen ja eher so, dass Autofahrer mobilisiert werden. In Paris hatten 2019 nur 34% der Haushalte überhaupt ein Auto, Quelle.
Das ist ein wichtiger Punkt.
Der Vergleich mit Deutschland ist da schon echt krass. In Berlin hat mit zum großen Teil den Stimmen der Außenbezirke die CDU gewonnen und sofort angefangen Radweg-Projekte zu stoppen, bzw sogar zurückzubauen. Diese Radwege waren aber fast nur in den Innenbereichen, do wo die CDU keine Mehrheit hatte. Das ist unglaublich Rücksichtslos. Denn solche Radwege werden (bei uns) typischerweise nicht auf stadtebene geplant, sondern auf Bezirksebene. Das sind eher so pilotprojekte, die aufgrund von lokalen Initiativen entstehen. Die baut die CDU wieder ab mit der begründung, dass irgednwelche Außenbezirkler dafür gestimmt haben. Das isr absolut übergriffig.
In Paris werden solche Radwege zum Glück nicht bezirksweise von irgdnwelchen Initiativen geplant, sondern direkt zentral. Dadurch konnten die auch so einen Fortschritt machen. Ich bin recht regelmäßig in Paris und diese Transformation ist großartig zu sehen. Vor 10 Jahren hatte ich um meinen einsam Fahrradfahrenden Freund dort große Angst. Jeden tag durch das Getümmel aggressiver Autos zu fahren schien selbstmörderisch. Dann wurden stück für stück Autoparkplätze durch Leihräder-Parkplätze ersetzt, wichtige Straßen für Autos gesperrt. Sehr radikal und gegen riesiges Geschrei wütender Leute. Aber es hat gewirkt und inzwischen fährt die halbe Stadt Rad.
Der Unterschied war, dass die Randbezirke nicht in die Bürgermeister Wahl mit einzahlen, und damit viele prekär geprägte Wähler nicht mitbestimmen konnten.
Das playbook bei echten progressiven Veränderungen ist normalerweise die Boulevardzeitungen zu aktivieren und ein starkes framing über Monate zu schalten (Beispiel: Heizhammer). Davon lassen sich viele urbane Wähler aber bei weiten nicht so stark beeinflussen wie eben Menschen aus harter Lohnarbeit, die häufiger in Eigenheimen oder Prekären Wohnsiedlungen am Stadtrand leben.
<3